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Geschichte, die unter die Haut geht: NS-Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal berührt Finsterwalder Schülerinnen und Schüler

Wenn er spricht, dann kann man ein Blatt Papier fallen hören. Über 500 Schülerinnen und Schüler aus zehn Schulen aus dem gesamten Landkreis nahmen am gestrigen Nachmittag am Vortrag von Ivar Buterfas-Frankenthal und seiner Frau teil. Selten war es im Saal der Kulturweberei so still. Alle hörten gebannt dem Holocaust-Zeitzeugen zu. Er berichtete von seiner Jugend, den Schicksalsschlägen seiner Familie und wie das Leben eines Staatenlosen ist. Seine wichtigste Aussage des Abends: Was ihm, seinen Liebsten und Millionen von Menschen widerfahren ist, darf sich nicht wiederholen.

Der Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal war der Einladung der Sängerstadt Finsterwalde, des Rotary Clubs Finsterwalde und der Sparkassenstiftung „Zukunft Elbe-Elster-Land“ in die Kulturweberei Finsterwalde gefolgt. Bürgermeister Jörg Gampe begrüßte die Gäste und stellte gleich zu Beginn die Bedeutung dieses Tages für die Jugendlichen heraus. „Ihr habt heute die einmalige Chance, von jemandem zu hören, der die Taten des Nationalsozialismus selbst erlebt hat. Hört ihm gut zu. Kein Geschichtslehrer kann euch das so vermitteln, wie es Herr Buterfas-Frankenthal heute tun wird“, appellierte er.

Ivar Buterfas-Frankenthal wurde 1933 in Hamburg geboren. Als Halbjude erlebte er Antisemitismus am eigenen Leib. Wenige Wochen nach seiner Einschulung wurde Buterfas-Frankenthal vom Schulhof gejagt, geschlagen, getreten und mit einer Zigarette verbrannt. „Die müssen wir bei der Polizei anzeigen“, sagte er zu seiner Mutter, die das verneinen musste. „Die können wir nicht anzeigen. Wenn du groß bist, sage ich dir, warum.“ Buterfas-Frankenthal erzählte von seinen Geschwistern. Er war das jüngste von insgesamt acht Kindern der Familie Buterfas. Sein Vater wurde von den Nationalsozialisten verhaftet. Seine älteste Schwester wurde zu den Großeltern mütterlicherseits geschickt. Von da an schlugen sich die verbliebenen Familienmitglieder durch den Zweiten Weltkrieg und versteckten sich in Kellern zerbombter Häuser. Buterfas-Frankenthal, der jüngste und kleinste, war zusammen mit einem seiner Brüder für die Lebensmittelbeschaffung im Schutz der Nacht zuständig. Eines Tages fanden die beiden fünf Handgranaten. Sollten sie gefunden werden, würde die Familie sie benutzen. So wurde es später im Versteck beschlossen.

Gespannt lauschten die Schülerinnen und Schüler dem bewegenden Vortrag von Ivar Buterfas-Frankenthal. Mit seiner Lebensgeschichte sorgte er bei allen Anwesenden für Gänsehautmomente. Seine Botschaft an alle machte er noch einmal deutlich: „Wenn wir nicht aufpassen, wiederholt sich die Geschichte erneut. Wir müssen unsere Demokratie mit allem, was wir haben, verteidigen.“ Mit seinen Erinnerungen möchte er alle Zuhörerinnen und Zuhörer berühren und zum Nachdenken anregen. Das treibt ihn auch im hohen Alter von 91 Jahren noch an. Das machte er in einer Gesprächsrunde im Anschluss an seinen Vortrag deutlich. Buterfas-Frankenthal bedankte sich bei allen Zuhörerinnen und Zuhörern und sagte, es habe sich gelohnt, heute Morgen um halb fünf in Hamburg aufzustehen, um in die Sängerstadt zu kommen. Und überhaupt sei er neugierig, warum Finsterwalde diesen besonderen Zusatz trage. „Gab es da nicht mal ein Lied?“, fragte er in die Runde, woraufhin Ulli Biesold, Direktor des Sängerstadt-Gymnasiums, das Sängerlied anstimmte. Die 500 Schülerinnen und Schüler machten ihm damit eine große Freude und revanchierten sich somit für den bewegenden Vortrag.

Zum Abschluss überreichten Bürgermeister Jörg Gampe, Uwe Boche als Vertreter des Rotary Clubs Finsterwalde sowie Frank Prescher und Thomas Jentzsch für die Sparkassenstiftung dem Ehepaar einige Präsente als Dankeschön. Anschließend bildete sich bei der Bühne eine lange Schlange, denn Interessierte konnten sich das neueste Buch der beiden Zeitzeugen signieren lassen. Buterfas-Frankenthals bedeutende Worte nahmen sich heute viele Jugendliche mit: „Es ist wichtig, dass wir die Vergangenheit nicht vergessen und aus den schrecklichen Ereignissen lernen. Vergessen ist das Schlimmste.“